Swiss Epic 2019 – eine der besten Wochen aller Zeiten! Teil 3

Tag 3 des Swiss Epic 2019 erwartet uns. Es ist der Tag der Königsetappe. Das Streckenprofil zeigt 80 km und 2’100 hm an. Das ist jetzt nicht unbedingt viel mehr als die ersten beiden Tage, doch der Unterschied werden die technischeren Trails machen. St. Moritz werden wir heute verlassen und im Verlaufe des Nachmittags in Lenzerheide eintreffen.

Unsere Startzeit ist auf 08.00 Uhr festgelegt. Wie auf dem unteren Bild ersichtlich ist Benno schon mal guter Dinge.
Erneut reihen wir uns im Startblock F ein. Mittlerweile kennt man sich ein bisschen und wir wünschen unseren Leidensgenossen viel Glück für die heutige Queenstage!

Dann geht’s los. In einem erneut angenehmen Tempo radeln wir zum Stazersee rauf. Dort folgt ein flowiger Trail, welcher uns nach Pontresina runter bringt. Rassig fahren wir nun zuerst der Flaz und dann dem Inn entlang bis Madulain. Hier beginnt der Aufstieg zum Albulapass, den es in dieser Woche nun das zweite Mal zu bezwingen gilt.

Nach einem schönen Aufstieg auf Strasse folgt ein erster anspruchsvoller Trail, auf dem es weiterhin bergauf geht. Sehr eng und etwas abschüssig – ich muss immer mal wieder kurz absteigen. Ich bin aber nicht der Einzige, der etwas Mühe mit diesem Abschnitt hat. Benno kommt etwas besser durch.

Auf ca. 1’960 m erreichen wir die Strasse. Wie inzwischen üblich bei Bergaufpassagen überholen wir ein paar Teams. Etwa 50 Höhenmeter vor der Passhöhe biegen wir auf den Albulatrail ein. Auch bergauf macht dieser Weg Laune!

Auf dem Albula dann die erste Verpflegung des Tages. Wir schlagen wieder zu, ich stets etwas mehr als Benno, der, wie eigentlich immer bei den Essenspausen, ein bisschen warten muss, bis auch ich wieder ready bin… Zum Glück hab ich einen solch geduldigen Teamkameraden.

Auf der Passhöhe beginnt die lange und anspruchsvolle Abfahrt nach Tiefencastel. Der Einstieg in den ersten Trail macht schon mal Laune, die teils groben Steine holpern aber schon ordentlich.

Es geht sehr abwechslungsreich weiter, ein Trail folgt dem nächsten. Wie von den Organisatoren am Vorabend angekündigt sind diese heute schwieriger als noch während den ersten beiden Etappen.

Auch hat es eine obligatorische Laufpassage drin. Dort ist schieben Pflicht.

Das Wetter ist toll und die Szenerie super doch die knackige Abfahrt nagt langsam aber sicher an meinen Kräften. Benno muss immer mal wieder etwas Tempo rausnehmen. Wenn er wollte, könnte er mir hier problemlos davon fahren.
Doch genau das macht das Swiss Epic aus. Es ist ein Teamwettkampf und man ist zu zweit unterwegs. Hat Einer der Beiden etwas Probleme, muss der Andere sich anpassen. Bei uns Zwei klappt das super!

Ich bin erleichtert, als wir die Verpflegungsstation in Filisur erreichen. Erneut brauche ich etwas länger als Benno.
Etwas später in Tiefencastel ist die längste Abfahrt des ganzen Events vorbei, worüber ich eigentlich ganz froh bin.

Ich würd sogar behaupten, dass ich mich beim Beginn des Uphills zur Lenzerheide rauf etwas erholen kann. Und das ist ganz gut so. Denn auch hier fahren wir nicht einfach gemütlich die Strasse rauf, sondern auf Trails und steilen Schotterpisten. Spätestens jetzt ist allen klar, wieso das heute die Königsetappe ist!

Die Spitzenteams sind vermutlich schon in der Massage, während wir uns noch mit den letzten Kilometern des Tages auseinandersetzen. Bei Tschividains ist nochmals Verpflegung angesagt. Dann geht’s auf die letzten Kilometer. Bis zum Schluss ist es ein stetes Auf und Ab. Zu guter Letzt führt man uns auf die anspruchsvolle WM-Strecke von 2018, auf der Nino Schurter Gold holte. Sehr eindrücklich zu sehen, was die Profis so fahren.
So fühlen wir uns wie Könige, als wir nach 6 h 41 min beim Heidsee zusammen die Ziellinie überqueren! Das schnellste Team brauchte 3 h 31 min.

Kurz nach der Zieleinfahrt wird Benno vom Speaker angesprochen, wieso wir uns mit dem Teamnamen „Weinliebhaber“ angemeldet haben. Benno erklärt kurz die Geschichte und der Speaker fordert uns auf, übermorgen beim Finale in Davos nach überqueren der Ziellinie zusammen anzustossen. Zudem entsteht eine kurze Diskussion, ob die Südafrikaner (Cape Epic) oder die Schweizer den besseren Wein haben…

Wir amüsieren uns über diese Unterhaltung und sind stolz auf das heute Geleistete. Benno hatte einen starken Tag und musste sich vor allem in der langen Abfahrt vom Albula etwas an mich anpassen, damit wir beisammen blieben. Trotzdem bin auch ich mit meiner Leistung zufrieden.
Bei Sonnenschein und angenehm warmen Temperaturen biegen wir ins Aprés-Bike ein. Die warme Mahlzeit ist lecker und die Stimmung sehr entspannt.

Die Unterkunft für die nächsten beiden Tage ist die Priva Alpine Lodge. Nichts gegen das Laudinella in St. Moritz aber hier gefällt es uns ein bisschen besser. Das Essen ist etwas leckerer und die Betten (speziell die Kissen) sind bequemer. Erneut ist unser Gepäck bereits vor der Zimmertüre. Alles ist bestens organisiert.

Auch hier ist wieder Buffetbetrieb und es hat soviel man will.

Darauf ein Glas Wein für die Weinliebhaber!

 

Der nächste Morgen. Die Stimmung beim Heidsee ist sehr schön. Die Sonne blinzelt durch die letzten Nebelschwaden, die sich noch einen kleinen Moment halten können.

Die Prognose für heute ist aber eindeutig: Sonne pur! Ein Rundkurs von 48 km und gut 2’000 Hm wurde für uns ausgesteckt. Wir freuen uns auf ein paar der besten Trails der Lenzerheide.

Aufgrund der eher kurzen Etappe ist der Start heute etwas später als sonst. Die Cracks starten um 8:30 Uhr, wir wie immer eine halbe Stunde später.
Auch heute reihen wir uns im Startblock F ein, der inzwischen einer kleinen Bikefamilie gleicht. Man freut sich einander zu sehen und wünscht sich gegenseitig viel Glück!

Der Startschuss erfolgt und los geht’s zur vierten Etappe des Swiss Epic 2019.

Nach einer WarmUp-Schlaufe um den See geht’s nach Parpan runter – erste Trails inklusive. Hier beginnt der langgezogene Aufstieg, welcher uns auf diversen Trails zur Rothornbahn Mittelstation Scharmoin bringen wird. Dort wird auch der erste Verpflegungsposten sein.
Vorher haben wir aber noch mit dem ersten (und einzigen) Defekt der Woche zu kämpfen. Es geht um den Schuh von Benno – oder um seine Cleats, oder sogar die Pedale…? Wo das Problem liegt wissen wir bis heute noch nicht. Auf jeden Fall kommt Benno kurz nach der Mottahütte nicht mehr aus seinen Klickpedalen raus und kippt mitsamt Bike einfach um. Glücklicherweise verletzt er sich dabei nicht.
Im Liegen versucht er auszuklicken, doch alles drehen und würgen hilft nicht. Schlussendlich muss er mit dem Fuss aus dem Schuh raus, der noch immer in der Pedale festhängt. Irgendwann bringen wir ihn dann los und ich hab glücklicherweise ein paar Ersatzcleats dabei. Die sind dann schnell montiert und es kann weitergehen.
Im Nachhinein eine Episode, die zum schmunzeln einlädt.

Die folgenden Trails bis Scharmoin laden mehr als nur zum schmunzeln ein, die sind einfach klasse!

Nach der Verpflegung jagt man uns auf den Bikepark. Die Flowline rockt dabei, wir haben mächtig unseren Spass!

Unten im Tal angekommen wechseln wir auf die westliche Seite. Der Aufstieg zur Alphütte Fops ist gleichmässig, aber lang. Benno hat ein bisschen Mühe, während es mir heute sehr gut läuft. So kann ich mich gleich zu gestern revanchieren und versuche, ihn so gut wie möglich zu unterstützen.
Ein kurzer Trail führt uns zur nächsten Verpflegung in Tganiteni. Es folgen nun zwei steile Rampen, bis wir schlussendlich auf Foppa Beala den tollen Trail zur Alp Stätz runter geniessen können.

Ab der Alp Spoina biegen wir auf den letzten Trail des Tages ein, welcher uns mit tollen Wurzeln begrüsst.

Der letzte Kilometer dann dem Heidsee entlang und wir fahren glücklich zusammen über die Ziellinie!

Am Ende notieren wir 5 h 4 min. Erneut der Verlgeich: Das schnellste Duo war 2 Stunden und 27 Minuten unterwegs. Es zeigt sich mittlerweile ein wenig die Tendenz, dass wir jeweils etwa doppelt so lange unterwegs sind, wie das Spitzenteam.

Den Nachmittag lassen wir im Zielbereich bei erneut leckerem Essen ausklingen und geniessen einfach die Zeit! Gegen den Abend hab ich dann wieder meine Massage, später dann gibt’s das Abendessen. Wir sind sehr zufrieden wie es bis jetzt gelaufen ist, haben aber etwas Respekt vor der morgigen Schlussetappe.

 

Am nächsten Morgen kündigt sich bei letzten Nebelschwaden erneut schönes Wetter an. 64 Km und 2’200 Hm warten auf uns.

Die Profis fahren gleich los, wir sind auch bald ready!

Pünktlich um acht macht sich mit dem Startblock F auch die letzte Gruppe auf die Schlussetappe des Swiss Epic 2019.

Trotz der Erfahrung von mittlerweile doch vier SwissEpic Etappen sind wir etwas unsicher im abschätzen, wie lange wir heute brauchen werden. Auch wissen wir nicht so genau, wie technisch die Trails sein werden.

Wie auch immer, wir kommen sehr gut vom Start weg und fühlen uns bestens. Die Strecke ist, wie die ganze Woche schon, sehr abwechslungsreich. Zu Beginn jagt man uns ein letztes Mal auf die Flowline des Bikeparks. Auf diversen Trails verlassen wir dann die Lenzerheide und biegen ins Landwassertal ein.

Es geht zügig voran, nach einer guten Stunde haben wir bereits 20 km auf dem Tacho. Kommt nichts Unvorhergesehenes in die Quere, sollte es zeitlich auch heute passen.

Die flowigen Zügentrails machen einmal mehr grossen Spass und obwohl wir in einem Wettkampf sind, kommt der Genussfaktor nicht zu kurz.
Nur einmal wird der Flow der Trails rund um das Wiesnerviadukt jäh unterbrochen. Der Aufstieg nach Jeninsberg verlangt von uns Bikern nochmal alles ab. Eine 300 Höhenmeter Rampe, die mit Steilheit nicht geizt, stellt sich uns in den Weg. Doch auch diese Prüfung meistern wir und werden mit einem nächsten tollen Trail zurück ins Tal runter belohnt. Theoretisch hätte man auch einfach dem Bach entlang via Bärentritt fahren können. Aber beim Swiss Epic gehören solche Challenges halt einfach dazu.

Gemütlich rollen wir auf Schotterpiste bis Davos Landgut. Dort gibt’s mal wieder die Möglichkeit, sich zu verpflegen. In einem steten Auf und Ab fahren wir anschliessend bis zum Restaurant Spina. Dort folgt der aller letzte längere Aufstieg zur Rinerhorn Bergstation rauf. Wir sind motiviert und geben Gas. Ich brauche dann aber doch noch mein Notfallbiberli, um nicht in ein Loch zu fallen.
Oben dann der letzte Verpflegungsposten des Swiss Epic 2019. Den Zielort Davos haben wir bereits in Sichtweite…

Der abartig geile Trail von Äibrugg nach Davos Clavadel runter stellt dann die finale technische Herausforderung der Woche dar. Es rumpelt und holpert und wir geniessen jede Wurzel und jeden Stein dieses Pfads. Zudem überholen wir in diesem Downhill ein Team aus Südamerika, mit denen wir uns die ganze Woche durch immer mal wieder battelten!

Nach einem letzten kurzen Uphill zur Höhenklinik und einem flowigen Trail folgt der grosse Moment: Die Zieldurchfahrt in Davos!!!

Wir haben es geschafft und sind hiermit offiziell Finisher des Swiss Epic 2019!!! Ein unglaublicher Moment!

Kurz nach überqueren der Ziellinie werden wir doch tatsächlich noch vom Speaker angesprochen, wo denn jetzt der Wein sei…, er habe uns doch in der Lenzerheide darauf angesprochen. Ups, den haben wir dann wohl vergessen und eigentlich nicht damit gerechnet, dass er sich daran noch erinnert.

Es folgt ein weiteres Finisherfoto, die Medaillen haben wir auch schon um den Hals – ist grad ein bisschen schwierig die Emotionen einzuordnen, es geht alles einen Ticken zu schnell…

Für die Schlussetappe brauchten wir 5 h 37 min. Es lief uns auch heute wieder sehr gut und wir hatten einen tollen Tag. Zum Vergleich das beste Team: 2 h 54 min.
Stimmt wieder ungefähr mit der doppelt so langen Zeit im Vergleich mit den Besten.

In der Schlussrangliste belegen wir in der Kategorie Elite Männer den 81. Rang von 86 klassierten Teams. Unser Ziel war es mal, nicht Letzte zu werden. Also das hat ja gepasst!
Über alle Teams gesehen rangieren wir auf dem 220. Platz von 253 Teams. Gesamthaft waren wir 31 Stunden und 51 Minuten unterwegs.

Diese Angaben haben aber nur informativen Wert. Es galt von Anfang an die Devise, jede Etappe vor dem Kontrollschluss zu schaffen, unverletzt zu bleiben und zusammen eine gute Zeit zu haben. All dies wurde klar erreicht.

Der Tag ist aber noch nicht zu Ende. Auch das letzte Aprés-Bike darf nicht fehlen. Ein Buffet mit diversen Bündner Spezialitäten (unter anderem Pizokel und Capuns) wartet auf uns. Wir greifen zu, verdient haben wir es!

Mehr oder weniger schweigend nehmen wir diese letzte Mahlzeit zu uns. Irgendwie fehlen uns grad die Worte, um zu beschreiben, wie sich das anfühlt. Über ein halbes Jahr ist seit der Anmeldung vergangen und unzählige Trainingskilometer hat es gebraucht, um hier zu sein, wo wir nun sind. Die Spannung und die Vorfreude wurde über Monate aufgebaut und nun ist auf einen Schlag alles vorbei. Fühlt sich grad ein bisschen leer an.

Nichts destotrotz sind wir äusserst zufrieden mit dem Wettkampf und während der gemütlichen Heimfahrt kriegen wir ein erstes Mal die Gelegenheit, all die Eindrücke zu verarbeiten. Langsam aber sicher realisieren wir, was wir da überhaupt vollbracht haben.

Wir, das sind zwei etwas verrückte Typen, welche ausserhalb des Biken ihren 100 % Jobs nachgehen. Nebenher spielen auch Familie und Freunde stets eine wichtige Rolle, welche es nicht zu vernachlässigen gilt.
Wir haben keine Sponsoren, Coaches oder was weiss ich sonst noch. So dürfen wir mit Fug und Recht Stolz darauf sein, dass wir dieses Projekt Swiss Epic mehr oder weniger alleine auf die Beine stellten und das Ding am Ende sauber ins Ziel brachten!

Benno, an der Stelle noch einmal ein liebes Dankeschön für diese unglaubliche Woche. Es ist schon rund eineinhalb Jahre her beim Schreiben dieses Berichts aber die Erinnerungen an dieses Erlebnis werden ewig bleiben. Auch wenn man sich coronabedingt momentan so gut wie gar nicht sieht, freue ich mich auf weitere epische Abenteuer mit Dir. Und diese werden kommen, ganz bestimmt!

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Einige der Fotos im Bericht wurden von der Firma Sportograf gemacht.

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