Der dritte Tag wird der erste richtige Härtetest für mich. Heute steht die Umrundung des Mount Engineers auf dem Programm. Die Tour zählt zu den grössten Bike-Erlebnissen der Region. Gemäss Luki soll der Trailanteil bei nahezu 100% liegen.
Da gestern mit der Gruppe A auf den Telegraphtrails für meine Verhältnisse schon ordentlich die Post abging, bin ich mir nicht sicher, ob ich auch heute mit den Schnellen mit soll. Gruppe B würde sich nochmals auf den Telegraphtrails austoben und eine grössere, anspruchsvollere Schleife fahren, was bestimmt auch lohnenswert wäre. Doch die Tour um dem Mount Engineer reizt mich sehr. Zudem geht’s dabei bis auf 3’600 m hoch, was ich bezüglich Akklimatisation für den die nächsten Tage folgenden Coloradotrail sehr günstig finde.
Glücklicherweise hat Luki noch eine entschärfte Variante der Tour im Köcher. Wer möchte, kann noch etwas länger im Shuttle sitzen bleiben und sich die ersten rund 500 Höhenmeter sparen. Zu diesem Angebot sage ich nicht nein und auch Ueli nützt diese Option. Er wird den Track auf dem Navi haben, so können wir uns nicht verfahren. Luki ergänzt noch, dass wir bei jeder Abzweigung Markierungen mit Steinen legen sollen, damit er weiss, dass wir schon durch sind.
Aller klar soweit, dann kann es losgehen!
Wie abgemacht bleiben Ueli und ich noch etwas länger sitzen und steigen auf dem Coal Bank Pass aus. Wir starten bereits auf stattlichen 3’240 m. Wir fahren rund 100 Meter auf einer Schotterstrasse und schon geht’s rechts in den Uphill-Trail rein. Gut fahrbar, aber die Höhe lässt uns schon gut ins Schnaufen kommen. Dementsprechend nehmen wir es gemütlich. Der Vorsprung zu den Anderen sollte noch ein Stück reichen.
Wir fahren durch diesen lichten Wald über dessen feinen Trail. Ein wunderbarer Auftakt.
Irgendwann kommen wir aus dem Wald und sind aufgrund der Schönheit dieser Gegend nur noch am staunen.
Und da steht er plötzlich vor uns, der Mount Engineer. Was für ein Anblick, was für Farben, was für ein Licht – wir sind sprachlos!
Der erste Abzweiger ist da. Wir erstellen mit ein paar Steinen einen Pfeil und kritzeln unsere Namen in den Boden. Das sollte reichen, damit unsere Freunde wissen, dass wir hier durch und auch wohlauf sind.
Weiter geht’s mit traumhaften Trails in einer traumhaften Gegend. Uns fehlen die Worte!
Man sieht immer mal wieder schöne Urlaubfotos oder Bilder in Magazinen und fragt sich dann, ob es in der Realität auch so schön ist wie abgebildet. Falls ihr mal Bilder von der Umgebung des Mount Engineer seht und Euch fragt, ob es wirklich so schön ist dort, dann lautet die Antwort klar und deutlich: JAAA!!
Die heutige Tour ist wie eingangs schon erwähnt für mich ein erster Gradmesser. Am Ende werden 31 km und 800 hm resultieren. Das sieht überschaubar aus. Doch wir sind bisher nur Trails gefahren und die Höhe macht sich bei mir mit einem leichten Druck auf dem Kopf ein erstes Mal bemerkbar. Das fordert mich sehr heute!
Dagegen ist Ueli einiges fitter als ich und nimmt bezüglich Tempo Rücksicht auf mich. Er wäre bestimmt schneller, wäre er alleine unterwegs. Aber es macht Spass mit ihm unterwegs zu sein und wir harmonieren bestens.
Von unseren Verfolgern ist noch keine Spur, wir können es weiterhin gemütlich nehmen und geniessen diese umwerfende Landschaft. Die Rockys sind der Wahnsinn!
Eine tierische Begegnung haben wir auf der zweiten Hälfte mit einer Hirschkuh und dessen Jungen. Faszinierend.
Eine spannende Bachüberquerung darf auch nicht fehlen.
Gefühlt endlos geht’s weiter, immer auf und ab, alles auf Trail und immer in Höhenlagen von über 3’200m. Langsam lassen bei mir die Kräfte nach, vielleicht habe ich gestern etwas überboardet?
Zudem wird der Trail gegen Ende anspruchsvoller. Der Weg führt einem Hang entlang mit vielen kleinen, aber giftigen Anstiegen. Ich bin froh, ist Ueli so geduldig mit mir, das macht es ein bisschen einfacher für mich. Ich wäre nicht unglücklich, wenn die finale Abfahrt bald folgen würde.
Unsere Freunde mit mehr Höhenmetern in den Beinen stehen ein paar Minuten später an der gleichen Brücke wie Ueli zwei Bilder weiter oben. Sie sind nicht mehr weit und holen uns ein kurzes Stück vor dem Einstieg in die Abfahrt ein. Perfektes Timing.
Ab hier geht’s nur noch runter. Zuerst machen wir aber alle noch eine gemeinsame Pause. Währenddessen lobt Luki unsere Markierungen, die hat man nicht übersehen können. Gut zu wissen, dass wir unsere Hausaufgaben erledigt haben.
Vor der Abfahrt habe ich ein bisschen Respekt. Reichen die Kraftreserven noch? Auf die Frage, ob es unterwegs eine Strasse als Alternative gäbe, schüttelt Luki den Kopf. Ich reihe mich sicherheitshalber ganz hinten ein und wir fahren los. Wird schon irgendwie gehen.
Tja, was soll ich zu diesem Downhill sagen? Natürlich war ich gut ein bisschen Müde von der bisherigen Tour aber diese Abfahrt ist so was von geil, solche Sachen gehen immer. Oben noch etwas leichter, ist die zweite Hälfte klar ruppiger. Trotzdem kann ich fast alles fahren – was für ein Gaudi! Zum Glück gab es nirgends eine Abkürzung auf Strasse. Da hätte ich wirklich was verpasst.
Unten angekommen müssen wir aufgrund fehlender Brücke einen Fluss zu Fuss überqueren. Ueli macht das kraftvoll und schiebt sein Bike rüber, als würde er einen Rinnsal überqueren.
Ich mit meinem eher bescheiden vorhandenem Gleichgewichtssinn habe deutlich mehr Mühe. Aber irgendwie geht es dann schon.
Auf Strasse (erst Schotter, dann Teer) fahren wir nach Purgatory rein. Ich bin heilfroh, hier zu sein, bin ich nun doch wirklich am Ende meiner Kräfte. Das kühle Getränk haben wir uns alle verdient. Was war das für ein Ritt heute!
Genau hier fand diese erste Bike WM im Jahr 1990 statt. Da kommen Erinnerungen auf bei Luki und auch bei Peter. Wir haben doch tatsächlich zwei ehemalige WM-Teilnehmer bei uns in der Gruppe. Tolle Geschichte.
Kaum zu beschreiben, was wir heute erlebt haben. Ich wurde mächtig gefordert, bin aber froh, vorab schon mal in dieser Höhe gewesen zu sein. Und im Endeffekt kam ich ganz gut durch und es hat sich absolut gelohnt, diese Tour zu machen. Über die unfassbare Schönheit muss ich wohl keine Wörter mehr verlieren.
Ein spezielles Dankeschön geht an Ueli. Obwohl wir uns noch kaum kannten, haben wir super zusammen harmoniert. Das war toll heute mit Dir!
Distanz: 37 km / 800 hm
Voll geil!!!! Da wäre ich auch gerne dabei gewesen 🙂
Vielen Dank lieber Urs. Das war wirklich eine der genialsten und spektakulärsten Biketouren ever!!!