Auf kaum eine andere Etappe des Wallis Cross‘ war ich so gespannt wie auf diese. Der Brazilian ist einer der meistgehypten Trails in der ganzen Schweiz. Sehr flowig und flüssig zu fahren soll er sein. Schon so viel habe ich darüber gelesen und diverse Blogkollegen wie Spoony, Rotscher oder Ventoux waren ebenfalls schon hier. Nun wird es an der Zeit, dass auch ich diese Lücke schliesse und mir den legendären Braziliantrail mal anschauen gehe.
Leider muss Benno am Morgen die Heimreise antreten. Er hustete die ganze Nacht und die Erkältung ist nun so richtig ausgebrochen. Die Kraft reicht definitiv nicht für eine Fortsetzung des Crosses. So verabschieden wir uns und es kommt bei ihm schon ein bisschen Wehmut auf, wenn er bei diesem tollen Wetter den Brasilianer auslassen muss. Auch für mich fühlt es sich zuerst etwas komisch an, partnerlos weiter zu ziehen. Aber die Vernunft geht vor. So fährt er gemütlich auf der Strasse nach Sierre runter und für mich geht die Reise alleine weiter. Ich bin in der glücklichen Situation, dass ich mich auf einer mehrtägigen Tour noch nie so gut fühlte wie auf dieser.
So fahre ich die paar Meter vom Hotel zur Talstation der Bendollabahn. Heute ist Samstag, den 12. September. Dass wir keinen Wochentag haben, zeigt sich am Umstand, dass ich nicht der einzige Biker bin, der mit der Bahn hoch möchte.
Wir haben aber alle problemlos Platz und während der Fahrt komme ich mit einem anderen Biker ins Gespräch. Er sei mit seinen Freunden auf dem Weg zu einem Trail namens Argentinier. „Was? Wie? den gibt’s auch noch?“ war meine erstaunte Reaktion. Ja, da müsse man einfach beim Abzweiger zum Col de Louche weiter gerade aus gehen, entgegnete er mir. Mehr wisse er auch nicht, einer seiner Begleiter hätte den Track auf dem Navi.
Nun gut, so könnte der Argentinier bei einem allfälligen nächsten Wallis Cross ein Thema sein… Zu Hause werde ich dann mal Kollege Google fragen.
Bei der Bergstation der Bendollabahn bestaune ich erstmals das tolle Panorama. Das Wetter ist heute wieder top!
Die Argentinien-Bikegruppe ist bereits aufgebrochen, als ich mich auch auf den Weg mache.
Auf einer zu Beginn gut fahrbaren Schotterpiste gewinne ich relativ schnell an Höhe.
Auf etwa 2’400m kommt dann die erste unfahrbare Rampe.
Die Landschaft wird karger und ich steige immer mal wieder ab, um mein Bike zu schieben. Zudem schaden regelmässige Pausen in dieser Höhe bestimmt nicht.
Schon bald erblicke das erste Mal den Col de Louche. Der karge Übergang in der Mitte; da muss ich hin!
Zuerst stellt sich mir aber noch eine liegen gebliebene Schneewächte in den Weg. Vorsicht ist geboten. Doch das Ganze ist sehr hart und griffig und funktioniert daher prima.
Jetzt sind es nur noch ein paar Meter. Das Bike kommt für einen kurzen Moment auf die Schulter…
…und ich stehe oben auf dem Col de Louche auf 2’892m.
Atemberaubend die Aussicht hier oben. Ich mache eine kurze Pause und lasse die Bilder und Eindrücke auf mich wirken.
Die Abfahrt zum Lac le Louche ist zu Beginn ein Kampf mit losem Schotter. Ich gebe relativ schnell auf und laufe das kurze Stück bis zur Wiese runter.
Danach wird es richtig schön!
Ein herrlicher Trail – meistens flowig – geht leicht abwärts zum See. Wunderschön!
Der See selber bettet sich wunderbar in die Landschaft ein. In diesem Hochtal fühlt man sich wie in einer anderen Welt.
Nach dem See geht meine Route weiter nach Norden. Der Trail bleibt flowig und das Gefälle moderat. So könnte ich ewig biken…:-)
Ein weiterer Bergsee, diesmal der Gouille de Potoc, ist ebenfalls einem Photostopp würdig.
Danach beginnt (wenn man dies so nennen will), der Aufstieg zum Col de Cou. Rein rechnerisch sind es zwar nur 60 Höhenmeter. Doch der Trail wird zunehmend unfahrbarer und schlängelt sich in einem steten Auf und Ab dem Hang entlang. So gibt es ein paar Höhenmeter mehr.
Regelmässig nutze ich die unfahrbaren Passagen um die herrliche Umgebung zu geniessen!
Auf dem Col de Cou komme ich mit einem Biker und seinem (ebenfalls bikendem) Sohn ins Gespräch. Der Brasilianer sei super, schwärmten sie mir vor. Sie würden auch da runter gehen. Da bin ich natürlich gleich noch etwas mehr gespannt. Denn genau hier auf diesem Pass beginnt diese legendäre Abfahrt.
Wieso heisst dieser Trail eigentlich „The Brazilian“? Die Story dahinter ist ziemlich simpel. Irgendjemand hat vor ein paar Jahren den oben abgebildeten Wegweiser mit dem Wort „Brazilian“ ergänzt. Da es sich um die Abfahrt nach Nax handelt, hat er dies gleich hinter dieser Ortsangabe geschrieben. Inzwischen wurden wohl die Wegweiser ausgetauscht, denn der Trail ist nicht mehr angeschrieben.
So kam das ganze ins Laufen und plötzlich sprach die Internet Community von einem „geheimen Trail im Wallis“, welcher sich „The Brazilian“ nennt.. Dank GPS-Tracks ist der Brazilian inzwischen längst kein Geheimnis mehr und unter den Bikern ein prominenter Begriff.
Ich war natürlich sehr gespannt und nachdem Vater und Sohn los gefahren sind, starte auch ich. Zu Beginn war ich gleich mal ordentlich erstaunt. Einer der scheinbar besten Trails der Schweiz beginnt mit ….. einem ruppigen Alpkarrweg??
Nach den ersten 200 Höhenmetern folgt ein kurzes Stück Schotterstrasse…
Bei der Alp La Combe zweigt ein Wanderweg von der Strasse weg und bereits nach den ersten Metern war die Verwirrung zu Beginn vergessen. Ein herrlich flowiger Trail, wie von Hand in die Wiese gemalt, fährt dem Bergrücken entlang. Ob es wohl der gleiche Maler wie auf dem Saflischpass war…?
Ein, zwei kurze Gegenanstiege müssen Überwunden werden und dann geht es nur noch runter.
Ich habe meinen grössten Spass am Brasilianer und bin mit meinem Bike richtiggehend am Samba tanzen!
Kaum komme ich in den Wald rein, wird die rege Benützung sehr gut sichtbar. Teilweise sieht es hier aus wie in einem Bikepark.
Sehr schade, dass es einige Biker nicht fertig bringen, die Kurven ohne blockiertes Hinterrad zu fahren. Das schadet unserem Sport. Deshalb rumpelt es ordentlich und es sieht so aus, als wäre dieser Weg mal flowig gewesen, dies aber nun nicht mehr ist. Spass macht es trotzdem, aber es stimmt mich ein wenig nachdenklich.
Tiefer unten im Wald ist die Abfahrt wieder etwas besser im Schuss.
So erreiche ich Nax nach einer tollen Abfahrt. Vor etwa einer Stunde habe ich mir für hier online ein Zimmer gebucht. Da die nächste richtige Etappe erst in zwei Tagen ist, kann ich den Brasilianer getrost aufsplitten. Wie schon zu Beginn des Crosses erklärt, habe ich ja Zeit. Wie schön dies doch ist…!
Wer ebenfalls etwas Zeit mitbringt, soll in Nax unbedingt dem Aussichtspunkt am westlichsten Zipfel des Ortes einen Besuch abstatten. Genial das Panorama dort!
Ja, jetzt ist auch dieser weisse Fleck weg. Der Brazilian Trail hat mir sehr gut gefallen und ich werde ihn bestimmt wieder mal fahren. Aber eben, es bleibt ein kleiner Nachgeschmack. Solch bekannte Trails werden (logischerweise) rege benutzt, und dies leider nicht nur von geübten und vernünftigen Bikern, sondern von den anderen auch. Mir ist bewusst, dass ich mit diesem Bericht ebenfalls einen Teil dazu beitrage. Deshalb meine Bitte: Haltet Sorge zu den Trails und missbraucht sie nicht als Bikeparkpiste. Ist immer sehr schade, wenn Bikeverbote die Konsequenz daraus sind.
Als Unterkunft habe ich mir das Hotel Mont Noble mitten in Nax ausgesucht. Und hier zeigt es sich einmal mehr, dass man mit Händen und Füssen ebenfalls sehr weit kommen kann, wenn es sprachliche Barriere gibt. Ich kriege mein Zimmer, buche Halbpension und am Abend gibt es Fondue Chinoise. Herrlich! Auch diese Unterkunft würde ich mit Sicherheit erneut auswählen, wäre ich mal wieder in der Gegend!
Die Schlussworte dieses Berichts gehören nun noc meinem Begleiter der ersten fünf Tage. Benno, es hat unglaublichen Spass mit Dir gemacht und wir hatten eine super Zeit zusammen! Schade, musstest Du abbrechen, aber wir wissen beide, dass es die vernünftigere Entscheidung war. Der Brasilianer läuft uns ja nicht davon und die Gegend ist schlicht zu genial, um es bei diesem einten Ausflug zu belassen. Ich danke Dir!
Distanz: 21 km / Fahrzeit: 3 h 55 min / Höhenmter: 900 Hm
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Wieder ein toller Bericht Chrigu – und ich nerv mich auch über die Idioten die vor jeder Kurve das Hinterrad blockieren. Leider leistet auch die Bikeindustrie dieser Enwicklung Vorschub mit den immer mehr auf Abfahrt ausgelegten Bikes. Die Entwicklung wie sie der Skisport durchgemacht hat ist augenfällig und irgendwann verkommt auch Biken zum Alpenballermann. Schade!
Danke Dir für Dein Feedback.
Na ja, die Bikeindustrie entwickelt sich in eine logische Richtung. Man stellt das her, was der Kunde will… Dies ist ja grundsätzlich nicht falsch, denn man kann auch mit einen Cross Country Bike die Hinterräder blockieren. Und ich möchte ganz bestimmt mit den Fingern nicht nur auf die Downhiller zeigen. Schwarze Schafe gibt es in jeder Gruppe.
Es ist halt einfach sehr sehr schade, dass man nicht den Kopf einschalten kann beim runter düsen. Grundsätzlich sind das ja Wanderwege und wir möchten diese auch in Zukunft zusammen benutzen.
Ein Ansatz wäre beispielsweise, dass man den Bahntransport einschränkt. Obwohl ich persönlich die Bahnen auch benutze (auch hier bei diesem Cross) könnte ich gut damit leben, wenn keine einzige Bahn mehr Bikes mitnimmt. Dafür müssten einfach alle Wanderwege für uns Biker frei sein. Dann Überlegt sich manch einer vielleicht zweimal, ob er eine Tour macht oder nicht. Aber klar, der Tourismus würde natürlich unter dieser extremen Massnahme leiden, da automatisch weniger Biker in die jeweilige Region käme. Den Wanderwegen aber käme es zu Gute.
Superbericht & Fotos, zu den Fahrspuren meiner Meinung wird es mit den E- Bikes eher noch schlimmer werden da kommen weniger trainierte & geübteFahrer immer höher hinauf im Allgemeinen mit diesen schweren Bikes werden die Trails noch mehr leiden,leider….
Tolle Fotos und schöner Bericht. Und das mit dem schönen Walliserwetter. Habe mir letzthin auch Gedanken gemacht, wenn man eine Strecke bloggt, das man dazu beiträgt, das der Weg dann eventuell mehr befahren wird. Um dem Gegenzuwirken, habe ich nun neu alle detaillierten Karten oder GPX-Files entfernt. Ich habe nur eine sehr grobe Karte, oder besser gar keine Karte mehr in meinem Blog. Gruss Etienne
Danke Dir für Dein Feedback.
Habe mir auch schon solche Gedanken gemacht. Habe ja auch schon gewisse Touren nur beschrieben aber keinen GPS-Track zur Verfügung gestellt. Der Brasilianer ist aber ja schon sehr verbreitet im Netz. Ich nehm den Input aber für die Zukunft mit.
Saubi Chregu, schöner Beitrag. Du kennst ja meinen Beitrag vom Brasiliander. Ich habe mich auch schon über das Thema ausgelassen 😉
Und zur Erklärung. Vom Bikemagazin Ride wurde eine Tour von der Cabanne Becs de Bosson veröffentlicht. Dieser Trails soll auch sehr schön sein, Ähnlich dem Brasilianer 🙂 Und weil er südlicher als der Brasilianer liegt, haben sie ihn Argentinier getauft. Argentinien liegt ja südlich von Brasilien.
Hallo Rotscher. Habe mich inzwischen auch schlau gemacht über den Argentinier. Wäre sicher auch mal einen Abstecher wert!